Erststimme und Zweitstimme
Wie funktioniert das genau mit der Bundestagswahl
Bei der Bundestagswahl hat man zwei Stimmen und viele fragen sich, was es damit auf sich hat. Eigentlich ist es ganz einfach. Die erste Stimme (Erststimme) ist für einen der Kandidaten aus genau dem Wahlkreis, in dem man wohnt. Wer in dem gesamten Wahlkreis von den zehn, zwölf oder noch mehr Personen auf dem Stimmzettel die meisten Kreuzchen bekommt ist als sogenannter Stimmkreisabgeordneter sicher im Bundestag. Mit der zweiten Stimme (Zweitstimme) wählt man eine Partei. Hier haben die Wähler keinen Einfluss mehr auf die Personen, die von der Partei nominiert werden. Die Anzahl der Zweistimmen einer Partei legt fest, wie viele Abgeordnete diese Partei im Bundestag bekommt. Wenn einer Partei A in einem Bundesland wegen der Zahl ihrer Zweitstimmen 20 Abgeordnete zustehen, dann kommen die ersten 20 Personen auf der Liste der Reihe nach in den Bundestag. Allerdings werden die gewählten Erstimmen-Kandidaten dabei berücksichtigt. Stehen der Partei 20 Sitze zu und sie hat bereits 12 gewählte Stimmkreisabgeordnete in dem Bundesland, dann können über die Liste nur noch acht Personen in den Bundestag kommen.
Die Zweitstimme entscheidet also über die Sitzverteilung im Bundestag. Sie entscheidet übrigens nicht direkt über den Bundeskanzler. Das ist eher eine Marketing-Aktion der Parteien.
Wenn alles nach Plan läuft, dann sitzen am Ende 598 Abgeordnete im Bundestag. Exakt die Hälfte davon sind Stimmkreisabgeordnete, die andere Hälfte sind Listenabgeordnete. Es gibt nämlich in Deutschland 299 Stimmkreise.
Das System hat lange ganz gut funktioniert, weil insgesamt keine Partei viel mehr Abgeordnete als Stimmkreiskandidaten bekommen hat als ihr über die Zweitstimme zugestanden sind. Und erst 2013 wurde Ausgleichsmandate eingeführt, damit sichergestellt wird, dass wirklich die Zweitstimme über die Zusammensetzung im Bundestag entscheidet. Das wollte das Bundesverfassungsgericht.
Inzwischen explodiert die Zahl der Abgeordneten, aber wie kann das sein? Etwas vereinfacht ist es so: Wenn eine Partei in Bayern alle 46 Stimmkreisabgeordneten stellt, ihr aber laut den Zweistimmen nur 30 Prozent der Abgeordneten zusteht, dann findet für die anderen Parteien ein Ausgleich statt. Im genannten Zahlenbeispiel gibt es dann aus Bayern nicht 92 Abgeordnete wie geplant, sondern 153 Abgeordnete. Damit wäre das Kräfteverhältnis in Bayern wiederhergestellt. Aber jetzt würden sich natürlich die anderen Bundesländer beschweren, wenn die Bayern 60 Abgeordnete mehr haben als ihnen zusteht. Deshalb findet der Ausgleich auch in den anderen Bundesländern statt und die erhalten entsprechend auch mehr Abgeordnete. So wurden das letzte Mal aus 598 geplanten Stellen gleich 709. Dieses Mal droht ein noch größeres Fiasko.
Das Bundesverfassungsgericht hat die drohende Gefahr erkannt und eine Wahlrechtsreform gefordert. Die wurde auch gemacht, aber nur mit homöopathischen Änderungen. Das grundsätzliche Problem ist dabei, dass die Abgeordneten selbst darüber entscheiden müssen, wie sie ihre eigene Anzahl reduzieren. Eine denkbar ungünstige Ausgangslage und das Ergebnis werden wir in Kürze erleben.
Natürlich haben wir auch zwei Wahlempfehlungen: wählen Sie nur Kandidaten von Parteien, die keine Gelder von Unternehmen annehmen. Und wählen Sie keine Abgeordneten, die diese Schein-Wahlrechtsreform zu verantworten haben.